Montag, 18. Februar 2013

Gespielt: Proteus




Wer dieses Bild nicht schön findet hat Hornhaut auf der Seele

Proteus ist ein Computerspiel in dem man eine zufällig generierte Insel erkundet. Es passiert an sich nicht so viel, muss es aber auch nicht. Es geht vielmehr um das Erlebnis an sich.
Die Insel verändert sich, sie geht durch alle vier Jahreszeiten, aber ich bilde mir ein, dass dort noch mehr passiert. Die Jahreszeiten sind nur ein Mittel um das Spielerlebnis selbst zu verdeutlichen.


Wir beginnen im Frühling. Alles beginnt im Frühling. Tiere erwachen aus dem Winterschlaf, Bäume blühen, es wird wärmer. Man selbst fühlt sich im Frühling so, als hätte man eine lange Zeit nur vor sich hingedämmert. Man fühlt sich frisch aufgeladen, bereit neue Herausforderungen anzugehen. Das Jahr selbst sollte eigentlich im Frühling beginnen, denn es ist die Jahreszeit des Neubeginns.



Ist der Frühling wie der langsame Start eines Motors, so ist der Sommer der Hochbetrieb. Die Landschaft wirkt wie ein Dampfkessel der unter Überdruck arbeitet, jederzeit kurz davor, vor Energie zu zerbersten. Überall herrscht Lärm, die Sonne brennt und das Leben quillt aus allen Löchern. Der Sommer ist die Jahreszeit in der die wirklich wichtigen Dinge passiert, es ist die Jahreszeit der Arbeit.




Mit Einsetzen des Herbsts ist es dann so, als hätte sich das Leben selbst ausgebrannt. Der Übergang von Sommer zu Herbst ist hart, plötzlich und traurig. Denn hier und da sieht man noch die letzten Reste des Sommers aufblitzen, wie die letzte Glut eines großen, prächtigen Lagerfeuers.
Dabei ist der Herbst selbst keineswegs grau und farblos, gerade durch seine Seltenheit freut man sich um so mehr über die letzten Reste des Sommers und an seinen Farben.




Dann kommt der Winter. Der Winter ist ruhig und friedlich. Wo im Sommer die Welt einem riesigen Kraftwerk gleicht, so ist sie im Winter ein Ödland. Das Leben ist nie ruhig und friedlich. Das Leben ist mit Geräuschen verbunden, mit Wärme, Licht und mit Farben. Der Winter hingegen ist ein einziges, weiß-gräuliches Nichts. Er ist die tödlichste Jahreszeit und es gibt viele Organismen, die während des Winters gar nicht wirklich existieren.

Proteus ist ein Spiel über das Leben, die Jahreszeiten zeigen dies. Von den zarten Anfängen im Frühling, zu den lauten, vor Leben überquellenden Wiesen des Sommers hin zur kalten, drückenden Stille des Winters.
Und dann hört das Spiel auf. Man erlebt keinen zweiten Frühling, keinen zweiten Sommer. Es war eine einmalige Sache und man bekommt nicht die Chance die gleiche Insel ein zweites Mal zu erkunden. Das Spiel generiert mit jedem Start eine neue Insel, wodurch jeder Besuch einmalig, aber gleichzeitig auch jedes Ende endgültig ist.




Macht man viel in Proteus? Dies hängt von einem selbst ab. Man muss gar nichts machen. Man kann sogar ewig im Frühling bleiben, wenn man es denn möchte. Doch lädt die Insel zum erkunden ein. Überall gibt es Geräusche, die Welt verändert sich permanent. Man erkundet die Insel nicht um irgendein Ziel zu erreichen, man erkundet die Insel, weil man es selbst so möchte. Man folgt einfach seiner eigenen Neugier und am Ende ist es diese Neugier, die einen dazu bringt durch die Jahreszeiten zu gehen, ohne zu wissen, dass es eben diese Neugierde ist, der diese Welt nach und nach sterben lässt.
Proteus ist ein wunderschönes Spiel. Es erinnert mich an die Momente an denen ich plötzlich stehen bleiben muss um einfach nur die Welt um mich herum wahrzunehmen und dabei komplett zu vergessen, was ich über diese ganzen Objekte die um mich herum existieren eigentlich weiß. Es erinnert mich an die Momente in denen man einfach seine Sorgen vergisst und sich über die Schönheit der eigenen Existenz freut.
Proteus ist ein Spiel für Menschen die ohne Reiseführer und Ortskenntnis eine fremde Stadt erkunden, weil sie sich die Freude am Entdecken bewahren möchten. Es ist ein Spiel für Menschen die sich manchmal wünschten die Welt um sie herum würde für einen Moment still stehen.




Es ist aber gleichzeitig auch ein Spiel, dass vielen Menschen nicht gefallen wird, weil nichts passiert, auch wenn eigentlich doch etwas passiert, nur halt nicht so, wie man es vielleicht eigentlich von einem Computerspiel erwartet. Wer irgendeine Form von Motivation braucht um auch nur irgendwas in einem Spiel zu unternehmen, wird mit Proteus nicht glücklich werden, denn Proteus sagt dir nicht was du tun musst. Proteus ist ein privates, persönliches Spiel und es ist etwas, was man eigentlich nur einmal wirklich erleben kann.
Ich kann jeden nur empfehlen Proteus eine Chance zu geben, auch wenn ihr zu der Sorte Menschen gehört, die ruhige und etwas abstrakte Spiele nicht mögen. Spielt es jedoch nicht sofort, wartet auf einen Moment in eurem Leben, in dem ihr unter hohen Stress steht und einfach mal für 30 Minuten abschalten wollt und dann schaltet auch wirklich ab. Denkt nicht darüber nach, ob das was ihr da spielt tatsächlich ein Spiel ist, was das alles soll und ob ihr nicht doch lieber euch um diese eine ganz furchtbar wichtige Sache kümmern solltet anstatt hier über eine virtuelle Insel zu tollen. Lauft einfach herum, genießt die Klänge, jagt ein paar Hasen und vergesst den ganzen unwichtigen Mist der euch durch den Kopf geht.

Dann werdet ihr erkennen, was das Besondere an Proteus ist.